Klappentext:
Tamara sitzt im Zug nach Mannheim: Sie soll endlich mehr über ihre leibliche Mutter erfahren. Kurz dämmert sie ein und als sie die Augen wieder öffnet, steht der Zug und alle anderen Passagiere sind weg. Alissa war auf der kleinen Insel nur kurz eingenickt, aber als sie aufwacht, ist alles anders. Ihre Freunde sind spurlos verschwunden, die Vögel zwitschern nicht mehr. Und als sie 110 wählt, ist die Leitung tot. Tamara. Alissa. Leon. Hannes. Kora. Sie alle haben einen dunklen Fleck in ihrer Vergangenheit und erleben nun, was es heißt, allein zu sein. Denn am 17. August um 15.07 Uhr passiert das Undenkbare: Die Zeit bleibt stehen, und alle Menschen um sie herum sind plötzlich verschwunden. In diesem beängstigenden Vakuum finden die fünf Jugendlichen nach und nach heraus, dass sie auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden sind.
Meine Meinung:
Man stelle sich folgende Situation vor: Ich befinde mich seit Wochen in einem Lesetief. Bücher, die mich sonst begeistern können, locken mich so überhaupt nicht. Doch dann kommt mit der Post das neue Buch von Antje Wagner hereingeflattert und sieht so einladend und schön aus. Obwohl ich mir sicher bin, auch dieses Buch nach kurzer Zeit wegzulegen, setze ich mich gemütlich mit „Vakuum“ hin. Und lese. Und lese. Und lese.
Wenn man schon nach wenigen Seiten die Welt um sich herum komplett vergessen hat, in der Handlungen versunken ist und meint, die Geschichte durch die Augen der Charaktere zu sehen, hält man ein wirklich gutes Buch in den Händen.
„Was?“, sagte er und seine Stimme kippte in der Mitte der Silbe ab. Er hasste es, wenn er sich so piepsig anhörte, aber die Panik war wie ein Mageninfekt. Ihm war schlecht, hundeübel.
„Ich sagte, bei 110 hebt keiner ab“, wiederholte Alissa. Ihre Stimme klang ruhig und kalt.
„Aber das…“, fing er an, dann knickte seine Stimme wieder um.
Aber das kann nicht sein, hatte er sagen wollen. Bei 110 hebt immer jemand ab. Das war so etwas wie ein Naturgesetz. (S. 140)
Antje Wagner hat an sich selbst den Anspruch, literarische Jugendbücher zu schreiben, so dass es bei ihren Werken meist mehr als nur die eine offensichtliche Ebene gibt. Liest man ihre Bücher aufmerksam und mit diesem Wissen, lassen sich schnell psychologische Feinheiten ausmachen, die die Bücher eben auch für Erwachsene so spannend machen. „Vakuum“ ist meiner Meinung nach auch ohne diese zweite Ebene durchaus lesenswert. Es ist ein spannendes Jugendbuch mit Tiefgang, der sich dem Leser aber nicht aufdrängt (außer vielleicht ein wenig am Ende).
Das Ende ist bei Antje Wagners Büchern ja immer eine Überraschung. Bei „Unland“ gefiel es mir sehr gut, bei „Schattengesicht“ hatte ich bereits im Voraus zu viel geahnt und war – im Gegensatz zu vielen anderen Lesern – nicht ganz zufrieden.
Wie ist nun das Ende von „Vakuum“? Ich kann nur sagen: grandios! Mir persönlich hat es sehr gut gefallen. Es hat mich fast ein wenig verwirrt zurückgelassen, ich musste die Geschichte noch einmal neu durchdenken und diese Gedanken ordnen. Es ist ein Schluss, der dem Leser definitiv im Kopf bleiben wird. Nebenbei bemerkt liebe ich die kleine Moral, bzw. die kleine Lebensweisheit, die sich mir am Ende aufgetan hat.
Also: Dass Antje Wagner wunderbar bildhaft schreiben kann, war schon lange klar. Dass sie ihre Charaktere vielschichtig, komplex und mitreißend beschreibt, weiß ich seit meinem ersten Buch von ihr. Während des Lesens musste ich lachen, hatte Gänsehaut, war angespannt und habe mit den Charakteren gelitten. Und auch der Schluss hat mir außerordentlich gut gefallen. Ich wüsste nicht, was ich an „Vakuum“ anders hätte haben wollen.