Raynor und Moth haben alles verloren. Dabei waren sie so glücklich. Sie hatten ihre eigene Farm. Ihre Farm. Ihr Zuhause, das sie sich selbst aufgebaut haben. Und dann? Plötzlich stehen sie vor dem Nichts. Dazu kommt noch, dass bei Moth eine tödliche Krankheit entdeckt wurde. Eine neue Bleibe bekommen sie nicht. Was nun?
„Haben wir einen Plan?“
„Natürlich. Wir wandern, bis wir aufhören zu wandern, und vielleicht finden wir unterwegs so etwas wie eine Zukunft.“
(S. 68)
Dies ist die wahre und autobiografische Geschichte von Raynor und Moth. Als die beiden obdachlos werden, beschließen sie, den South West Coast Path zu wandern. Dies ist der bekannteste Küstenweg in England. In dem Buch beschreibt Raynor ihre Wanderung, die den beiden alles abverlangt. Gleichzeitig ist jeder Schritt auch eine Reise zu sich selbst.
„Aber wer war ich jetzt? Wer war Moth? Würden tausend Kilometer reichen, um die Antwort darauf zu finden?“ (S. 40)
Selten stand ich einem Buch so zwiespältig gegenüber. Zwischen den Seiten stecken so viel Weisheit und so viele kluge, schöne und bewegende Worte. Ich glaube, ich könnte auf dem Blog eine eigene Beitragsreihe „Wunderschöne Zitate aus ‚Der Salzpfad'“ beginnen.
Dennoch geht die Handlung etwas schleppend voran. Letztendlich gibt es tatsächlich recht wenig Handlung. Raynor beschreibt ihre einzelnen Etappen und kleine besondere Highlights. Was mich anfangs noch sehr fesseln konnte, wiederholte sich irgendwann etwas zu oft – für meinen Geschmack.
„Wir hätten die Wanderung abbrechen können, aber wir hatten nichts zu verlieren, und es gab einen guten Grund, weiterzuwandern. Hier waren wir frei, zwar den Elementen ausgesetzt, hungrig, erschöpft und durchgefroren, aber frei.“ (S. 211)
Möchte ich euch dieses Buch nun empfehlen oder rate ich davon ab? Doch, lest dieses Buch, denn es ist schön. Es führt den Leser genauso wie Moth und Raynor ein bisschen zu sich selbst. Ich bin den South West Coast Path gemeinsam mit den beiden gewandert. Ich habe auch die Salzluft gerochen und die Sonne auf meiner Haut gespürt. Ja, zwischendurch war es etwas beschwerlich. Manche Strecken waren vielleicht etwas zu lang, aber ich habe gefunden, wonach ich gesucht habe.
Ich hatte vor einiger Zeit einen ausführlichen Artikel über die beiden gelesen und ich glaube, dass mir der schon reicht. Spannend fand ich als darauf eingegangen wurde, wie sie von anderen Menschen aufgenommen wurde. Solange sie als „Wanderer“ Kontakt aufnahmen, wurden sie neugierig und offen aufgenommen, weil sie interessante Personen mit einer spannenden Herausforderung waren. Als „Obdachlose“ hingegen wurden sie deutlich weniger positiv von anderen Mitmenschen wahrgenommen … das ist schon sehr entlarvend.
Ja, der Aspekt nimmt auch einen großen Teil des Buches ein. Es ist auch wirklich interessant, wie man selbst beim Lesen auf die Informationen reagiert und sich und seine Einstellungen oder ein zu schnelles Stigmatisieren hinterfragen muss.