Annie ist die jüngste von insgesamt neun Geschwistern. Das Nesthäkchen. Aufgezogen wurde sie von ihren älteren Schwestern. Ihre Mama hatte dazu keine Zeit und auch keine Kraft. Zwerg oder Winzling wird Annie oft genannt, weil sie so klein und zart ist. Das liegt daran, dass meistens nicht genügend Essen im Haus ist. Manchmal nennen ihre Schwestern sie aber auch Kotzkröte (weil sie sich so viel übergeben muss) oder Hohlbirne. Dabei ist Annie gar nicht hohl. Sie hat nur Schwierigkeiten mit dem Lesen. Und außerdem zählt sie ständig alle möglichen Dinge. Das beruhigt sie.
„Als ich nach Hause komme, merke ich sofort, dass Ärger in der Luft liegt. Es ist kein Geruch, kein Geschmack oder so. Man kann es nicht sehen oder hören und doch ist es überall. Es gibt keine Warnzeichen dafür, wenn meine Mutter mal wieder kurz vor dem Ausrasten ist, trotzdem sind wir alle in ständiger Alarmbereitschaft, immer auf der Lauer nach etwas, das man nicht mit der Nase, den Augen oder den Händen wahrnehmen kann.“ (S. 137)
Zum Glück hat Annie in der Schule tolle Mitschüler. Sie ist in einer Klasse für besonders begabte und kreative Kinder. Jordan ist ihr bester Freund. Er sagt oft nicht viel, aber Annie weiß eigentlich immer, was er denkt und fühlt. Sie weiß aber auch, dass sie anders ist als ihre Mitschüler. Und deswegen darf auch weder Jordan noch Kristin jemals erfahren, wie es bei ihr zu Hause ist. Wie es dort aussieht. Und wieso ihre Geschwister manchmal blaue Flecken oder lockere Zähne haben.
„Jordan zieht die Augenbrauen zusammen, als würde er sich über etwas ärgern, was ich gesagt habe. ‚Du bist gut darin, anderen Leuten ein gutes Gefühl zu geben.‘
‚Das hat aber nichts mit meinem Schicksal zu tun, Jordan. Das ist nicht wichtig.‘
Er bleibt stehen, also muss ich es auch. ‚Find ich schon‘, sagt er.“ (S. 160)
„Annies Welt“ ist traurig und schön. Gleichzeitig bedrückend und leicht. Annie selbst ist die liebenswerteste Person überhaupt. Klein, zart und dennoch nur daran interessiert, dass es allen anderen gut geht. Sie sorgt sich um ihre Schwestern und ihre Freunde. Will immer gut sein und niemanden verletzt. Auch Annies Familie ist nicht schwarz-weiß gezeichnet, denn so sind Familien nun mal nicht. In Annies Familie läuft vieles nicht rund. Schlimmer noch: Sehr vieles ist verkehrt und nicht gut. Und dennoch haben fast alle Familienmitglieder auch ihre positiven Facetten, so dass man etwas Verständnis für ihr Verhalten haben kann.
„Annies Welt“ ist das erste Kinderbuch von Jospehine Angelini, die ich übrigens auch schon mal live erleben durfte (eine sehr sympathische Frau). Ich bin wirklich begeistert, wie sich die Autorin diesem schwierigen Thema genähert und was für wundervolle Charaktere sie gezeichnet hat. Beim Lesen hatte ich mehr als ein Mal einen Kloß im Hals, aber auch ein liebevolles Lächeln auf den Lippen.
Und mal wieder ist meine Wunschliste dank dir um ein Buch länger. 😉 Annie klingt aber auch nach einer Protagonistin genau nach meinem Geschmack. Vielleicht ein Anwärter auf die nächste Lektüre, wenn ich irgendwann mal „Rabenherz und Eismund“ von Nina Blazon ausgelesen habe.
Hihi, so soll das sein!
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das ein Buch ganz nach deinem Geschmack ist. Wir haben ja meist doch ziemlich viele Überschneidungen. 🙂